Impressionen einer Wallfahrerehe

Impressionen einer Wallfahrerehe

Es ist wieder Mai – Sind wir auch dabei?

Lisi: Den Mann von nebenan und mich verbindet ein einschneidendes Erlebnis: Bereits in unseren jungen Jahren nahmen wir an der Fußwallfahrt nach Mariazell teil.

Er als Kaltenleutgebner mit der Kaltenleutgebner Jugend, ich als Perchtoldsdorferin mit der Perchtoldsdorfer Jugend. Da Wallfahrten ja bekanntlich völkerverbindend sind, kamen der Mann und ich uns näher. Am Ende unserer gemeinsamen Pilgerzeit versammelten wir uns vor dem „Hochzeitstor“ zum Einzug nach Mariazell. Plötzlich wurde ich von den Perchtoldsdorfer Jugendlichen gepackt und in Richtung Hochzeitstor geschleppt. Dem Mann von nebenan erging es nicht anders. Auch er wurde von mutigen Kaltenleutgebnern geschnappt – und gemeinsam wurden wir durch das Hochzeitstor gezogen. Die zuschauenden Wallfahrer behaupteten nachher, dass sich der Mann von nebenan viel mehr gewehrt hätte als ich. Doch das mag vielleicht nur nach außen so gewirkt haben. Auf jeden Fall  hat bei uns das Hochzeitstor seine Bestimmung erfüllt! Ein Jahr später heiratete ich den Mann von nebenan!

27 Jahre später wird es wieder Mai und ich pilgere wieder mit dem Mann von nebenan, mit meiner Mutter, mit meinem Schwiegervater und mit vielen anderen nach Mariazell. Der Weg hat sich nicht geändert, das Ziel ist das gleiche geblieben. Doch die Freude am gemeinsamen Wandern, Freunde zu treffen, gemeinsam zu beten und zu singen, Gedanken zu teilen, … ist jedes Jahr wieder da und ich empfinde es mit jedem Jahr intensiver und dankbarer. Wenn’s während des Jahres turbulent wird mit dem Mann von nebenan, dann hilft der Gedanke an Mariazell, ans gemeinsame Unterwegssein, ans Eintreffen vor dem Gnadenaltar, an die begeisterten Messen in Mariazell. Diese Erinnerungen bleiben – bis zum nächsten Jahr im Mai!

Lisi Pich

Peter: Schon wenn der Wallfahrerbrief eintrudelt, wird sie nervös. Haben wir eh Zeit? Wie geht es sich mit dem Freinehmen aus? Sie blättert hastig im Kalender. Ich überlege im Stillen, ob ich Motorrad fahren gehe oder sie doch lieber begleite. Beim Motorradfahren stehe ich frühestens um 7 Uhr auf, ich frühstücke gemütlich und spule locker mehrere Kilometer auf meinem Motorrad herunter. Bei Schlechtwetter fahre ich einfach in die andere Richtung.

Bei der Wallfahrt ist mir das Aufstehen in aller Herrgottsfrüh noch nie leicht gefallen, wir kommen nur langsam voran und wir trotzen, wenn es sein muss, auch Schnee, Regen, Wind und Hagel. Das gehört zum Wallfahrerleben dazu und es schweißt die Wallfahrergruppe zusammen. Mir würde ja etwas abgehen, wenn ich nicht in der Bruder Klaus Kapelle ihren Kopf samt Fleecehaube (wegen der morgendlichen Temperatur) an meiner Schulter immer schwerer werden spürte und ihr Atem nicht in ein leises Schnarchen übergehen würde. Mir war schon zu Beginn unserer Wallfahrtszeit klar, dass ich es mit ihr ein Leben lang aushalten könnte. Doch allzu leicht wollte ich es unseren Freunden auch nicht machen, und sie sollte ruhig erkennen, dass ich mich nicht so leicht „einfangen“ lasse!

„Sind wir wieder dabei?“ Sie lässt nicht locker! Ja, ich pilgere wieder gemeinsam mit ihr, mit meinem Vater, mit meiner Schwiegermutter und mit vielen anderen nach Mariazell! Ich freue mich, gemeinsam mit ihr etwas zu unternehmen, etwas das Kraft gibt, das Zeit zum Nachdenken gibt, das Zeit zum Danke sagen gibt. Es ist auch die Zeit, um etwas zu bitten, mit der Hoffnung, dass es sich zum Guten wendet.

Das schönste und befreiendste am Ende unserer Wallfahrt ist die Messe in Mariazell, wo alle mit Begeisterung singen und beten. Oder ist es doch die Erleichterung, den Weg geschafft zu haben?!

Peter Pich

 

Berichte aus dem Buch 50 Jahre Fusswallfahrt von Perchtoldsdorf nach Mariazell

Fotos: Privat, Verein der Freunde der Wallfahrt von Perchtoldsdorf nach Mariazell, Biggi Kempter, Dona Grafik Design